Mysteriöse Bibelstellen Teil3

Im Hebraeer-Brief gibt es eine aeusserst strange Stelle, die uns eigentlich nicht besonders in den Kram passt:.
Hebraeer 6
3	Und dies wollen wir tun, wenn Gott es erlaubt. 
4	Denn es ist unmoeglich, diejenigen, die einmal erleuchtet worden sind und 
	die himmlische Gabe geschmeckt haben und des Heiligen Geistes teilhaftig geworden 
	sind 
5	und das gute Wort Gottes und die Kraefte des zukuenftigen Zeitalters 
	geschmeckt haben 
6	und [doch] abgefallen sind, wieder zur Busse zu erneuern, da sie fuer 
	sich den Sohn Gottes wieder kreuzigen und dem Spott aussetzen. 
Heisst das, dass ich als Christ, wenn ich einmal abgefallen bin, nie wieder Vergebung meiner Suenden bekomme? Heisst das, dass ich dann nicht mehr Busse tun kann? Gibt es auch fuer mich als Christen ein: zu spaet? Worum geht es eigentlich im Hebraeerbrief, und wer hat ihn wem geschrieben?

Der Hebräer-Brief

Judenchristen hatten den ersten Schritt in christliche Gemeinden getan. Eine zeitlang ging es ganz gut, doch dann stellten sich bange Fragen einstellte:
  • War Jesus wirklich Repraesentant Gottes?
  • Gab ihnen die christliche Gemeinde wirklich dasselbe oder Besseres, als sie in ihrem Tempel, an den Opferfesten oder an ihren Gottesdiensten gehabt hatten?
  • War es richtig gewesen, dass sie ihre sichere Zugehoerigkeit zum "auserwaehlten Volk" aufgegeben hatten?
  • War die Kirche wirklich an die Stelle des auserwaehlten Volkes Gottes getreten?
  • Die Judenchristen lebten ausserdem zerstreut im Schatten von juedischen Gemeinden, immer in der Gefahr von ihnen erdrueckt oder aufgesogen zu werden. Zudem brachten die Verfolgungen, die sie durchzustehen hatten, sie an den Rand ihrer Widerstandskraft. (nach Joerg Zink)

    Mister X

    Der Verfasser, Ort und Zeit des Hebraeerbriefes sind nicht eindeutig feststellbar. Aber wegen des ausgezeichneten griechischen Stils und der guten Kenntnisse des Alten Testamentes (es werden viele alttestamentliche Glaubensvorbilder vorgestellt) ist als Verfasser ein griechisch gebildeter Judenchrist anzunehmen, nennen wir ihn einfach einmal Mister X. Wahrscheinlich ist der Hebraeerbrief im Umfeld des Paulus in Rom entstanden, da auch Timotheus namentlich erwaehnt wird. (Hebr 13,23) und am Schluss die Brueder aus Italien gruessen lassen (Hebr 13,24). Vielleicht entstand der Brief zur Zeit des roemischen Kaisers Domitian (81-96 n.Chr.), der Christen im ganzen roemischen Reich verfolgen liess. Mister X fordert die Judenchristen auf alle Unsicherheiten hinter sich zu lassen und auch in Verfolgung und Leid unbeugsam und geduldig den Weg auf ihr Ziel zuzugehen: Das Reich Gottes in dem sie Christus begegnen werden.

    Bist du taub und dein Gluabe brei ?

    In Hebraeer 5,11-14 tadelt Mister X, der Autor des Briefes, die Judenchristen, dass sie schwerhoerig geworden sind und dass sie eigentlich schon viel weiter im Glauben sein muessten. Stattdessen koennten sie nur Milch trinken, wie kleine Kinder und keine feste Speise verdauen.
    Hebraeer 5
    11	Darueber haben wir viel zu sagen, und es laesst sich schwer darlegen, 
    	weil ihr im Hoeren traege geworden seid. 
    12	Denn waehrend ihr der Zeit nach Lehrer sein solltet, habt ihr wieder 
    	noetig, dass man euch lehre, was die Anfangsgruende der Aussprueche Gottes sind; 
    	und ihr seid solche geworden, die Milch noetig haben und nicht feste Speise. 
    13	Denn jeder, der noch Milch geniesst, ist richtiger Rede unkundig, denn er 
    	ist ein Unmuendiger; 
    14	die feste Speise aber ist fuer Erwachsene, die infolge der Gewoehnung 
    	geuebte Sinne haben zur Unterscheidung des Guten wie auch des Boesen. 
    
    Das heisst, dass die Judenchristen in den Anfaengen des christlichen Glaubens stecken, obwohl sie schon viel weiter sein muessten. Was der Verfasser unter "Milch" versteht erklaert er gleich darauf in Kapitel 6
    Hebraeer 6
    1	Deshalb wollen wir das Wort vom Anfang des Christus lassen und uns der 
    	vollen Reife zuwenden und nicht wieder einen Grund legen mit der Busse von toten 
    	Werken und dem Glauben an Gott, 
    2	der Lehre von Waschungen und der Handauflegung, der Totenauferstehung und 
    	dem ewigen Gericht.  
    
    Die Lehre ueber die "Abkehr von toten Werken", vom Glaube an Gott, vom Taufen, vom Handauflegen, von der Auferstehung der Toten und vom ewigen Gericht, stecken fuer ihn im Anfang des Glaubens. Oh, weh, o weh, wo stehen wir dann? Ist uns das nach jahrelangem Christsein alles so klar? Koennen wir einem Interessierten ueber diese "Glaubensanfaenge" Auskunft geben?
    Der naheliegende Schluss waere doch, dass der Verfasser den "Steckengebliebenen" noch einmal die grundlegenden Elemente des christlichen Glaubens erklaert, wenn sie eben noch die Milch brauchen. Stattdessen will er lieber fortschreiten zum "Vollkommenen, zur festen Nahrung"

    Diese feste Nahrung ist, meiner Ansicht nach, der ganze Hebraeerbrief, aber wenn wir nur die Ueberschrift des folgenden Kapitels 7 "Christus und Melchisedek" o.ae. anschauen, bekommen wir einen Eindruck davon, was mit solcher fester Nahrung gemeint sein koennte Eben immer tiefere Christuserkenntnis (und das meint nicht allein das Wissen ueber Christus), immer mehr Zusammenwachsen mit IHM.
    Ausserdem kann uns diese Vorgehensweise eine wichtige Orientieung in unserer christlichen Arbeit geben. Wie viele liegengebliebene Christen gibt es auch heute bei uns? Wieviele Lau-Gewordenen? Bei vielen kommt das Wachstum im Glauben irgendwann zum Stillstand. Aber was ist dann zu tun? Sollen wir immer wieder herumbuchstabieren am Glaubens-ABC? Nein, wir koennen gerade dann weitergehen in Bibellesen, uns vom heiligen Geist leiten lassen und vielleicht auch von einem Seelsorger oder jemand anderen, der im Galuben weiter ist, tiefer in das Glaubensgeheimnis fuehren lassen. Das als kleinen Tip im Umgang mit anderen und und selbst.

    Was nennt Mister X also in Kapitel 6, 1+2 als absolute Grundlage und Milch des Christenbabys?

    1. Busse & Glaube

    Fuer die neutestamentliche Zeit ist es selbstverstaendlich, dass Busse und Glauben am Anfang des Christseins stehen. Busse meint nicht nur das Bedauern und Bereuen, vielleicht noch Bekennen einzelner Fehler oder Versagen, sondern Busse meint die gesamte Uebergabe unseres von Gott getrennten Herzens und die Herstellung einer intakten Gottesbeziehung.Der Glaube an Gott und an Jesu Erloesungswerk ist fuer mich persoenlich dabei das Entscheidende. Nicht das blosse Fuerwahrhalten von biblischen Aussagen, das Nachsprechen des Glaubensbekenntnisses ist damit gemeint, sondern in erster Linie die lebendige Beziehung zu Jesus Christus.

    2. Taufe & Handauflegung

    Offensichtlich gehoerte schon zu Anfang des Glaubens eine klare Verkuendigung ueber die verschiedenen Taufen, die in Neuen Testament erwaehnt werden (siehe Thema Taufe) und eine Abgrenzung zu anderen Taufpraktiken (z.B. Proselytentaufe wenn Menschen zum juedischen Glauben uebertraten, gab es auch eine Art Taufe in Anlehnung an die alttestamentlichen Waschungen z.B. 3.Mose 14,8. Die Handauflegung wird erwaehnt, weil sie zu neutestamentlicher Zeit wohl selbstverstaendlich zur christlichen Taufe gehoerte (s Apg 19,5-6) aber auch bei anderen Gelegenheiten praktiziert wurde. wie z.B. Beim Segnen, Beten fuer Kranke, usw.)

    3. Auferstehung und Gericht

    Auferstehung und Gericht: Das ist die Ausrichtung des Glaubens auf die Zukunft, die christliche Hoffnung.
    All die genannten Elemente gehoeren zu den Fundamenten des Glaubens und ihre Reihenfolge ist zu beachten. Zuerst kommt Busse, dann der Glaube und die Taufe mit Handauflegen, und dann das Ergreifen dieser Hoffnung. Keines sollte vernachlaessigt oder weggeworfen werden. Mister x ruft diese Grundlagen den Judenchristen mit wenigen Stichworten in Erinnerung.
    Hebraeer 6
    3	Und dies wollen wir tun, wenn Gott es erlaubt. 
    4	Denn es ist unmoeglich, diejenigen, die einmal erleuchtet worden sind und 
    	die himmlische Gabe geschmeckt haben und des Heiligen Geistes 
    	teilhaftig geworden sind 
    5	und das gute Wort Gottes und die Kraefte des zukuenftigen Zeitalters 
    	geschmeckt haben 
    6	und [doch] abgefallen sind, wieder zur Busse zu erneuern, da sie fuer 
    	sich den Sohn Gottes wieder kreuzigen und dem Spott aussetzen. 
    7	Denn ein Land, das den haeufig darauf kommenden Regen trinkt und 
    	nuetzliches Kraut hervorbringt fuer diejenigen, um derentwillen es auch bebaut 
    	wird, empfaengt Segen von Gott; 
    8	wenn es aber Dornen und Disteln hervorbringt, so ist es unbrauchbar und 
    	dem Fluch nahe, der am Ende zur Verbrennung fuehrt. 
    9	Wir aber sind, wenn wir auch so reden, im Hinblick auf euch, Geliebte, 
    	vom Besseren und zum Heil Dienlichen ueberzeugt. 
    10	Denn Gott ist nicht ungerecht, eures Werkes zu vergessen und der Liebe, 
    	die ihr gegen seinen Namen bewiesen habt, indem ihr den Heiligen gedient 
    	habt und dient. 
    11	Wir wuenschen aber sehr, dass jeder von euch denselben Eifer um die volle 
    	Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende beweise, 
    12	damit ihr nicht traege werdet, sondern Nachahmer derer, die durch Glauben 
    	und Ausharren die Verheissungen erben.  
    
    Mister X hat jetzt nicht die Gelegenheit vom Heiligen Geist, sich nochmals laenger darueber zu aeussern (V.3). Er ist in seiner Lehrfaehigkit von Gott abhaengig. Denn Gott allein kann das Herz der Empfaenger oeffnen. Dann kommt aber wieder die Sorge des Schreibers um die Gemeinde durch. Ihre junge Entwicklung ist zum Stillstand gekommen. Er weiss, dass ein Christ durch Traeghiet im Galuben all das wieder verlieren kann, was er durch den Glauben an Christus gewonnen hatte. Noch ist es fuer die Gemeinde nicht so weit. (V9-11), aber der Verfasser spricht eine deutliche Warnung aus. Wie gewonnen so zerronnen, diese heutige Sprichwort passt hier ganz gut.
    Der Schreiber zaehlt dann einige Dinge auf, die jeden Christen, wenn auch in unterschiedlicher Weise, einmal wiederfahren sind. Mit der

    Am Anfang: Erleuchtung ?

    in Vers 4 ist wohl die Bekehrung und Wiedergeburt gemeint, als die Grundlegung des Glaubens. Das "Schmecken der himmlischen Gabe" meint wohl die persoenliche Glaubenserfahrung, in der ein Mensch Jesus als seinen Heiland erfaehrt, nicht nur mit dem Verstand und seinem Willen, sondern mit all seinen Empfindungen. Mister X beschreibt diese Grundlegung des Glaubens dann noch einmal mit anderen Worten: "Teilhaftig geworden sein des heiligen Geistes", meint eben diesen Anfang des Glaubens und das "guetige Wort geschmeckt haben" bezieht sich auf die biblischen Verheissungen, sie sich jetzt schon bei uns erfuellt haben, z.B. Vergebung der Suenden, Frieden im Herzen und Gewissen, Gottes Hilfe, die ich im Alltag schon erlebt habe.

    Dadurch werden uns die "Kraefte der zukuenftigen Welt" schon ein Stueckweit zuteil. Wir sind nicht nur Traeumer oder Phantasten, die Gottes fernes, unerreichbares Reich im Jenseits erwarten, sondern wir haben als Christen schon manches Mal seine Wunder in unserem Leben erlebt. Oder nicht?

    Abfall oder
    kein Zurueck

    Wenn man das alles erlebt und erfahren hat, gibt es kein Zurueck mehr, sagt Mister X. Dieser Satz rueckt die Naehe von Jesu Wort in
    Markus 3
    28	Wahrlich, ich sage euch: Alle Suenden werden den Soehnen der Menschen 
    	vergeben werden, und die Laesterungen, mit denen sie auch laestern moegen; 
    29	wer aber gegen den Heiligen Geist laestern wird, hat keine Vergebung in 
    	Ewigkeit, sondern ist ewiger Suende schuldig; 
    
    Und Abfall in Vers 6 bedeutet nicht, eine schwere Suende zu begehen, sozusagen Muell zu machen, sondern Abfall meint, wenn man radikal die Bruecken zu Christus abbricht. Gottes Gnade und Liebe, die man bereits erfahren hat, zum Beispiel in der Vergebung der Suenden, wirft man auf den Muell. Vielleicht nicht radikal und schnell, vielleicht auch erst ueber die Jahre?

    Mister X will nicht, dass wir in Aengstlichkeit verfallen, aber er will schlafende Christen aufwecken. Er weiss, dass Lauheit und Traegheit ein Glaubensleben zum lebensgefaehrlichen Abfall fuehren koennen. Die Grenze dafuer wird Gott alleine einmal stecken.

    Die Zeichen

    Aber ein deutliches Zeichen dafuer gibt es: Die Gemeinde wird so jemanden nicht zurueckfuehren koennen. Alles Muehen um ihn wird umsonst sein. Nicht Gleichgueltigkeit oder mangelndes Verstaendnis versperren ihn den Rueckweg, sondern der offene Aufruhr und Kampf gegen Christus. (V.6b) Weil so jemand das Geheimnis des Glaubens kannte, wird er sich um so erbitterter gegen Christus und seine Gemeinde wenden
    Hebraeer 10
    26	Denn wenn wir mutwillig suendigen, nachdem wir die Erkenntnis der 
    	Wahrheit empfangen haben, bleibt kein Schlachtopfer fuer Suenden mehr uebrig, 
    27 	sondern ein furchtbares Erwarten des Gerichts und der Eifer eines Feuers, 
    	das die Widersacher verzehren wird. 
    28 	Hat jemand das Gesetz Moses verworfen, stirbt er ohne Barmherzigkeit auf 
    	zwei oder drei Zeugen hin. 
    29 	Wieviel schlimmere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der den Sohn 
    	Gottes mit Fuessen getreten und das Blut des Bundes, durch das er geheiligt 
    	wurde, fuer gemein geachtet und den Geist der Gnade geschmaeht hat? 
    30 	Denn wir kennen den, der gesagt hat: `Mein ist die Rache, ich will 
    	vergelten; und wiederum: `Der Herr wird sein Volk richten.
    31 	Es ist furchtbar, in die Haende des lebendigen Gottes zu fallen! 
    
    Zur Veranschaulichung gebraucht Mr.X ab Vers 7 ein Beispiel vom fruchtbaren und unfruchtbaren Land, das schon im Alten Testament bekannt war. (5.Mose 11,11ff) Auch Jesus selbst hat in seinen Abschiedsreden Aehnliches gesagt.
    Johannes 15
    2	Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, 
    	die Frucht bringt, die reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. 
    3 	Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. 
    4 	Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe nicht von sich selbst Frucht 
    	bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, so auch ihr nicht, ihr bleibt 
    	denn in mir. 
    5 	Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in 
    	ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir koennt ihr nichts tun. 
    6 	Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen wie die Rebe 
    	und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen.   
    
    Der Hebraeerbrief will weder eine Grenze fuer Gottes Vergebung aufrichten, noch Angst vor Gottes Gericht machen, sondern seine Worte sollen Warnlichter am Abgrund sein und uns vor dem Sturz bewahren. Es geht darum die Nachfolge Jesu mit dem ganzen Herzen ernst zu nehmen, mit dem uns anvertrauten Gut sorgsam umzugehen, sich nicht traege und selbstzufrieden als Christ zurueckzulehnen, sondern in der Nachfolge treu zu bleiben bis ans Ziel unseres Glaubensweges.
    Petra fuers Habakuk am 14.02.1997
    Auslegung geklaut aus der Wuppertaler Studienbibel

    HTML von Michael und Bastian - letzte Änderung am 23.3.1997